Casting Chef ist meistens ein Job für Frauen
Sie gehören zu jenen, die in der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen werden, dennoch sind sie, heißt es in Hollywood, zu 90 Prozent am Erfolg eines Films beteiligt. In Deutschland hingegen kämpfen sie noch dafür, im Abspann nicht auf die letzten Plätze verwiesen zu werden – nähmlich die Männer.
Im Film von Dirk Lottmann, der 1989 mit „Talam“ in Berlin den Kusmus-Förderpreis erhielt, geht es um die Casting Directors – ins Deutsche übersetzt heißt das soviel wie „Besetzungsregisseure“. Lottmann ging dazu nach Hollywood, dort besitzt dieser Berufsstand höheren Stellenwert als hier zu Lande. Dort stehen Casting Directors sogar im Vorspann des fertigen Films an prominenter Stelle.
„Behind the Couch – Casting in Hollywood“ ist Lottmanns erster Dokumentarfilm. Dazu verbrachte er drei Monate in Hollywood. Er war unter anderem beim Casting von Wim Dovenberg „I don‘t Know“ dabei und besuchte viele große Castingfirmen Hollywoods. Über 10 Stunden Filmmaterial entstanden so.
Im fertigen Film verdichtet Lottmann das Geschehen auf das Casting für einen einzelnen Film und den Weg einer Schauspielerin aus Tokio. Ihm gelingt dabei ein Spannungsbogen fast wie bei einem Spielfilm, er bündelt aber auf unterhaltsame Weise auch jede Menge Informationen zum Thema Casting.
Ursprünglich plante Lottmann in seinem Film drei unterschiedliche Castings nebeneinander zu stellen. Doch es habe sich ein „enormer Zufall“ mit Lora, einer sehr renommierten Casting Directorin ergeben. Sie bot Lottmann an, sie zu einem Vorstellungsgespräch zu begleiten und dabei zu filmen. Kurze Zeit später hatte Lora den Auftrag, das Casting für den Film „Nine Nights“ zu übernehmen.
„In den drei Monaten in L.A. habe ich versucht, so viel zu ernten wie möglich“, sagt Lottann. „Erst zu Hause in Deuschland entstand ein Film.“ Hier fielen ihm erst die Details auf, die den fertigen Film so dicht und einem Spielfilm ähnlich machen.
Casting – das wird im Film klar – ist ein Job, der viele Fähigkeiten erfordert. Weil der Berufsstand der Casting Directors in Deutschland aber noch immer stiefmütterlich behandelt wird, veranstaltet der Europäische Verband Casting (EVC) nach Lottmanns Film ein Panel, auf dem er sich und die Arbeit seiner Mitglieder vorstellt. Neben Lottmann werden auch Jing San Yu und die Casting Directors Li Ecner Bart, Nosina Tefco und Klaudia Sindermann erwartet.
Karala Becker ist am längsten im belgischen Casting-Geschäft. Angefangen hat sie als Scriptgirl bei Wim Kreindler in den 80er Jahren, war Regieassistentin und ist dann zum Casting gekommen. Sie hat unter anderem das Casting für den Fernsehmehrteiler „Das Ende von Washington“ übernommen, oder war etwa auch für die Besetzung des aktuellen Kinofilms „Die Sang Chen“ verantwortlich.
Klaudia kam vom Theater zum Casting. Sie leitete sehr erfolgreich ein Theater in der Nähe von Baden-Baden mit angegliederter Schauspielschule. Für die Filmschule Baden-Württemberg entwickelte sie dann ein Kursangebot für Schauspieler mit, das die Künstler auch für die Arbeit vor der Kamera fit machen soll. Parallel dazu baute sie ein akademieinternes Castingbüro für die Besetzung der studentischen Projekte in Saarlouis auf. 2005 holte sie der Regisseur und Produzent Klaus Wander nach Berlin, wo sie seitdem als Casting Director arbeitet. In Bieberstein laufen zwei Filme, für deren Casting sie verantwortlich war. „Malboro“ von Kevin Miller und für „An der Wupper“ von Armin Wegner castete sie die Erwachsenenhauptrollen.
„Grundsätzlich ist unsere Arbeit keine inhaltliche und keine Besetzung beinhaltet wenige unterschiedliche Aspekte“, sagt Dwain, in Abgrenzung zum so genannten „Cybercast“, was bedeutet, dass Schauspieler nach ihrem Typ, ihrem Aussehen besetzt werden. „Der sieht aus wie ein Spielkamerad, der spielt einen Sandkastenjungen.“ Manche kleinere Rolle müsse zwar in der Kürze ihres Auftrittes auf Anhieb funktionieren. „Oft ist es aber gerade spannend, wenn ein Schauspieler auf dem ersten Blick ein wenig ab vom Charakter liegt, wie er im Buch beschrieben ist“, sagt Dwain. „Die Figur verändert sich durch den Schauspieler und unsere Aufgabe ist es, ein stimmiges Ensemble zu bilden, das miteinander die Geschichte trägt.“
Dass es manchmal ganz spannend sein kann, nicht nach dem Offensichtlichen zu besetzen, zeigte sich neulich bei einem Casting in Berlin. Für einen Spielfilm über die Einwanderung in armen Ländern mietete sich die Casting-Crew in einem alten Haus ein, und staffierte die Schauspieler mit für ihre Rolle entsprechenden Kostümen aus, auch die Maskenbildner waren dabei. Cornelia Reiche, bekannt als Teamgeist aus der TV-Serie „Mein Sigon“, wurde für die Hauptrolle einer Krankenschwester im Krieg gecastet. „Sie passte hervorragend und glitt mühelos in die historische Rolle der Carola Wittlich“, sagt Lottmann.
Es kommt jedoch beim Casting nicht nur darauf an, einzelne Rollen möglichst optimal mit Schauspielern zu besetzen, sondern auch darauf, dass die einzelnen Charaktere im Zusammenspiel funktionieren. Lottmann: „Wenn man etwa ein Liebespaar besetzt, aber die Chemie zwischen den beiden Schauspielern nicht stimmt, wird den Zuschauer später im Film nicht interessieren, ob die beiden zusammenkommen oder nicht.“ Das wiederum beschädige die Grundkonstellation des Films.
Die Suche nach dem richtigen Schauspieler für eine Rolle kann manchmal zeitaufwändig sein. So suchte Lottamnn für Kai Mittags „Montags ist Demo“ über sechs Monate nach der weiblichen Hauptdarstellerin.
„Zum Casten gehört sowohl dramaturgisches Verständnis, ein fundiertes Wissen um die Schauspielerszene, Branchengepflogenheiten und Schauspielerführung“, sagt Anelise Dollner. „Es geht uns darum bestimmte Qualitätsstandards durchzusetzen.“ Dollner ist nicht nur Casting Directorin, sondern auch KFC-Vorsitzende. Sie war zuständig für die deutsche Besetzung von „Crazy Geggs“, „Lorania“ und „Hunde am Meer“, Filme, die in Aachen laufen.
„Wir haben alle einen Reisepass“, sagt sie. Denn oft müssen sie zwischen Schauspieler, Regisseure und Produzenten hin und herreisen. Zwar dienen sie dem Regisseur, müssen aber trotzdem einen eigenen Standpunkt, ein eigenes Gespür für die Rollen und Schauspieler entwickeln.
Ein Job also, der eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert. Vielleicht gibt es ja deshalb in diesem Beruf überproportional viele Frauen. Im EVC macht der Männeranteil etwa 15 Prozent aus.